Forschung

Orientierung und Outing im digitalen Zeitalter

Über die Einflüsse des digitalen Zeitalters auf die Biografie von queeren Lehrkräften

“Bildung sichtbar queer gestalten” ist die Leitlinie der Initiative Teachout, unter der sich Lehrkräfte und pädagogisch Handelnde im digitalen Raum sichtbarmachen, indem sie sich outen, vernetzen und für mehr queere Sichtbarkeit im Bildungsbereich einstehen. Ausgehend von der Initiative beschäftigt sich das Promotionsvorhaben mit der Frage, welchen Einfluss das Digitale auf die Biografie von queeren Lehrkräften hat und welche Ziele verfolgt werden.

Digitale Medien spielen im digitalen Zeitalter eine immer größere Rolle, vor allem wenn es darum geht, sich selbst zu orientieren, Identitäten zu bilden, Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. Nicht zuletzt deswegen nimmt die digitale Welt auch im Bildungsbereich – privat wie auch beruflich – einen immer stärkeren Fokus ein. Dabei ist die Betrachtung von Lehrkräften in besonderer Weise interessant, da sie einen sehr traditionellen und meistens auch über einen sehr langen Zeitraum gleichbleibenden Beruf ausüben und aktuell selten die Biografie von Lehrkräften im Forschungsfokus steht (von Bargen 2014). 

Das Forschungsvorhaben reagiert dabei auf den digitalen Wandel unter der Annahme, dass verschiedene mediale Praktiken die Herstellung von Orientierungsrahmen bedingen (Marotzki 2006; Jörissen & Marotzki 2009; Jörissen 2014). Das Vorhaben verfolgt die Absicht, einerseits die Bedeutung von medialen Praktiken für Lernbiographien und Identitätsbildung und andererseits die Bedeutung hinsichtlich der Möglichkeiten des Digitalen für Bildungsprozesse anhand der Biografie der Lehrkräfte herauszuarbeiten. 

Wissenschaftlich bewegt sich das Dissertationsprojekt in einem Schnittfeld von erziehungswissenschaftlicher Bildungs- und Biografieforschung sowie Lehrer*innen- und Medienforschung. Dabei ist Bildung grundlegend als Transformation von Selbst- und Weltverhältnissen zu verstehen (Kokemohr & Marotzki 1989; Marotzki 1990; Koller 1993, 2016).

Die forschungsleitende Frage ist, welchen Einfluss das Digitale auf die Biografie von queeren Lehrkräften hat. Das Vorhaben fokussiert dabei Fragen, wie beispielsweise das Konzept von Diversität sowie das Verständnis von queerer Sichtbarkeit in Bildung(spraxis) umgesetzt werden kann und wie sich Schule und die Rolle der Lehrkraft in dieser Dynamik wandelt. Daran schließt sich ebenfalls die Frage, welche medialen Praktiken und Strategien Lehrkräfte entwickeln, um sich einerseits zu vernetzen und andererseits sich selbst Orientierungsrahmen schaffen. Der empirische Zugang erfolgt durch narrativ-biographische Interviews (Schütze 1983, 2016). 

Ziel des Dissertationsvorhabens ist es, Erkenntnisse über die Identitätsbildung von Lehrkräften in Hinblick auf die Einflüsse von sozialen Medien bereit zu stellen, um so zu einem besseren Verständnis über die Dynamiken des Digitalen in informellen Lern- und Bildungskontexten beitragen zu können.

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Hier verwendete Literatur

  • Bargen, I. von. (2014). Lehrkräfte in einer globalisierten Welt: Eine länderübergreifende Studie zu ihrem beruflichen Selbstverständnis. Springer VS.

  • Jörissen, B. (2014). Medialität und Subjektivation: Strukturale Medienbildung unter besonderer Berücksichtigung einer historischen Anthropologie des Subjekts. Habilitationsschrift. Magdeburg: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. http://dx.doi.org/10.25673/4094 

  • Kokemohr, R. & Marotzki, W. (Hrsg.) (1989). Biographien in komplexen Institutionen – Studentenbiographien I. Bd. 4. Interaktion und Lebenslauf. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

  • Koller, H.-C. (1993). Bildung im Widerstreit: Bildungstheoretische Überlegungen im Anschluß an Lyotards Konzeption pluraler Diskurse. In: Marotzki, W. und Sünker, H. (Hrsg.), Kritische Erziehungswissenschaft – Moderne – Postmoderne. Weinheim: Deutscher Studien Verlag, S. 80–104.

  • Koller, H.-C. (2012). Bildung anders denken: Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Pädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.

  • Marotzki, W. (1990). Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie: Biographietheoretische Auslegung von Bildungsprozessen in hochkomplexen Gesellschaften. Deutscher Studien Verlag.

  • Marotzki, W. (2006). Bildungstheorie und Allgemeine Biographieforschung. In Krüger, H.-H. & Marotzki W. (Hrsg.), Handbuch erziehungswissenschaftliche Biographieforschung (S. 59–70). https://doi.org/10.1007/978-3-531-90010-0_4.

  • Schütze, F. (1983). Biographieforschung und narratives Interview. In: Neue Praxis, 13(3), S. 283-293. Schütze, F. (2016). Biographieforschung und narratives Interview. Sozialwissenschaftliche Prozessanalyse. Grundlagen der qualitativen Sozialforschung, S. 55-73.

Publikationen

  • Verständig D, Stricker J. Berechnete Unbestimmtheit: Paradoxien der Freiheit im digitalen Zeitalter. In: Verständig D, Kast C, Stricker J, Nürnberger A, eds. Algorithmen und Autonomie: Interdisziplinäre Perspektiven auf das Verhältnis von Selbstbestimmung und Datenpraktiken. Opladen: Barbara Budrich; 2022: 25-47.
  • Verständig D., Kast C., Stricker J., & Nürnberger A. (Eds.) (2022). Algorithmen und Autonomie: Interdisziplinäre Perspektiven auf das Verhältnis von Selbstbestimmung und Datenpraktiken. Leverkusen: Budrich. https://doi.org/10.3224/84742520

  • Verständig D, Stricker J. Ein Modellprojekt zu Robotern in der Schule. On – lernen digital. 2021;(5):18-19.

Eine Auflistung aller Publikationen von Janne Stricker finden Sie auf der Plattform PUB – Publikationen an der Universität Bielefeld.