Forschung

Ästhetik – Subjekt – Bildung

Die Berechenbarkeit der Künste

Der Versuch der Berechenbarkeit der Kunst, von Ästhetik und Kreativität weist mit Blick auf die Kunstgeschichte eine lange Tradition auf (z.B. Goldener Schnitt in der griechischen Antike, Zentralperspektive in der Renaissance). Vor diesem Hintergrund stellt der Ausdruck mit und durch Algorithmen eine logische Konsequenz in der künstlerischen Praxis dar.

Bereits in den 1960er Jahren kam der Computer in kreativen Verwendungskontexten zum Einsatz, sowohl von Seiten der Mathematik, der Informatik, als auch von Seiten der bildenden Kunst. Durch den Einsatz vermeintlicher „KI“ in der Kunst hat die algorithmische Kunst (Nake, 2014), so attestiert Weibel (2021), ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Der Einsatz komplexer und vor allem anpassungsfähiger, datengetriebener Systeme des Maschinellen Lernens führt dazu, dass nicht nur die Rolle des künstlerisch Schaffenden, sondern auch die Position und der Wert des Einzelbildes bzw. -werks (auf dem Kunstmarkt) zur Disposition stehen. Was ist das Werk? Der zugrundeliegende Code, die kuratierten Daten oder doch der Output des Systems? Die daraus hervorgehenden Bilder zeichnen sich durch eine sichtbare Oberfläche und eine unsichtbare, algorithmische Unterfläche aus (Manovich, 2001; Nake, 2014), die ihre Erscheinung erst durch die Aus- und Aufführung des Programmcodes entfalten, insofern müssen sie als hochgradig performativ betrachtet werden. Diese Prozesshaftigkeit resultiert in einer unüberschaubar großen Vielzahl und Vielfalt von Bildern, die sowohl ihre Rezipierenden, wie auch die künstlerisch Schaffenden selbst überraschen und durch Originalität und Einzigartigkeit bestehen (Mazzone & Elgammal, 2019, 2). 

Das Dissertationsvorhaben „Ästhetik – Subjekt – Bildung: Die Berechenbarkeit der Künste“ knüpft an den Gedanken der Strukturalen Medienbildung an (Jörissen & Marotzki, 2009) und widmet sich der Frage, wie der kreative Umgang mit komplexen datengetriebenen Systemen des Maschinellen Lernens in artikulativen Prozessen gestaltet wird und inwiefern hier in Anlehnung an Jung (2005) von algorithmischen Formen der Artikulation gesprochen werden kann.

Dabei stellt sich die Frage, wie man sich einer derart komplexen Form des Ausdrucks analytisch annähert. Wie gehen die Künstler:innen mit den Systemen um? Mit welchen Arten von Daten arbeiten sie? Welche Werkzeuge kommen zum Einsatz? Welche Rolle spielt die Materialität? Dabei fungiert die digitale Hermeneutik (Capurro, 2010) als methodologischer Rahmen, indem sie die ontologischen Bedingungen expliziert, d.h. die (im-)materiellen, digitalen Seinsbedingungen fokussiert.

Durch einen ethnographischen Feldzugang sowie mithilfe semistrukturierter Interviews mit bildenden Künstler:innen, Medienkünstler:innen, Designer:innen, Creative Technologists und Programmierer:innen wird versucht, einen möglichst umfassenden Blick in die kreativen, künstlerischen Praktiken im Umgang mit datengetriebenen Systemen des Maschinellen Lernens zu geben.

 

Hier verwendete Literatur

 

  • Capurro, R. (2010). Digital hermeneutics: An outline. AI & SOCIETY, 25(1), 35–42. https://doi.org/10.1007/s00146-009-0255-9

  • Jörissen, B., & Marotzki, W. (2009). Medienbildung – Eine Einführung: Theorie – Methoden – Analysen. Klinkhardt.

  • Jung, M. (2005). „Making us explicit“: Artikulation als Organisationsprinzip von Erfahrung. In: M. Schlette, M. Jung (Hrsg.), Anthropologie der Artikulation. Begriffliche Grundlagen und transdisziplinäre Perspektiven. Würzburg: Königshausen & Neumann. S. 103-142. 

  • Manovich, L. (2001). The language of New Media. Cambridge, London: MIT Press.

  • Mazzone, M. & Elgammal, A. (2019). Art, Creativity, and the Potential of Artificial Intelligence. In: Arts, 8(1), 26. https://doi.org/10.3390/arts8010026

  • Nake, F. (2014). We find the aesthetics in between. A Remark on Algorithmic Art. Wissen und Wahrnehmen im Digitalen. Zur Simulation des Blicks und zu einer Ästhetik in Zeiten des Computers. Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 59. S. 287-289.

  • Weibel, P. (2021). AAA – ART, ALGORITHMEN, ARTIFICIAL INTELLIGENCE. KUNSTFORUM, 287(Kann KI Kunst? – AI ART: Neue Positionen und technisierte Ästhetik), 76–87.

Publikationen

 

  • Ahlborn, J. (2023a). KI – Kunst – Bildung. Wie komplexe algorithmische Systeme das Verhältnis von Kunst, Ästhetik und Bildung verschieben. In C. Leineweber, M. Waldmann, & M. Wunder (Hrsg.), Materialität—Digitalisierung—Bildung (S. 192–209). Klinkhardt, Julius.
  • Ahlborn, J. (2023b). KI-Kunst als kreativer Zugang zu Data Literacy. In F. von Gross & R. Röllecke (Hrsg.), Postdigitale Kulturen Jugendlicher: Medienpädagogische Gestaltungs- und Identitätsräume: Beiträge aus Forschung und Praxis: Prämierte Medienprojekte (S. 45–50). kopaed.
  • Ahlborn, J. (2023c). Zur (Un-)Berechenbarkeit der Künste. Wie algorithmische Strukturen die Bedingungen für Ästhetik und ästhetische Bildung verändern. In C. De Witt, C. Gloerfeld, & S. E. Wrede (Hrsg.), Künstliche Intelligenz in der Bildung (S. 69–88). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40079-8_4 

Eine Auflistung aller Publikationen von Juliane Ahlborn finden Sie auf der Plattform PUB – Publikationen an der Universität Bielefeld.