Forschung
Creative Coding – Coding Literacy
Wir leben in einer Welt der algorithmischen Sortierung und Entscheidungsfindung. Mathematische Modelle kuratieren unsere sozialen Beziehungen, beeinflussen unsere Wahlen und entscheiden sogar darüber, ob wir ins Gefängnis gehen sollten oder nicht (Brennan, Dieterich & Ehret 2009, O’Neil 2016, Eubanks 2017). Aber wie viel wissen wir wirklich über Code, algorithmische Infrastrukturen und ihre kulturellen Implikationen?
So wie Texte zu Misinterpretationen führen können (Stock 1987, 62), so können auch Algorithmen schon per Implementation und im Software Design zu falschen Aussagen verleiten. Algorithmen liegen schließlich manchmal falsch und sind nicht immer deterministisch, sondern eher ambivalent, insbesondere unter Berücksichtigung kultureller Implikationen und verzerrter Daten (vgl. Uricchio 2017, Wachter-Boettcher 2017).
Dieses Forschungsprojekt fokussiert die Frage, inwiefern Programmierkompetenzen im Kontext der Erziehungswissenschaft verstanden werden können, indem neueste Forschungsergebnisse aus Software Studies und Critical Code Studies einbezogen werden. Dies geschieht in zwei Schritten: Zunächst wird skizziert, warum es von Bedeutung ist, dass wir nicht nur die Funktionsweise von Code verstehen lernen sollten, sondern auch die Bedeutung von Code auf kultureller, politischer und sozialer Ebene (vgl. Marino 2020, 5). Zweitens wird das Verhältnis zwischen Programmieren und Schreiben im Lichte der „Coding Literacy“ (Vee 2018) angepasst. Dementsprechend hat das Programmieren eine komplexe Beziehung zur Schrift; es ist Schreiben, aber die Verbindung zur Technologie des Codes und der Rechengeräte, damit also die Performativität des Codes selbst unterscheidet sich gleichzeitig vom Schreiben und Sprechen.
Das Vorhaben hat sich mit methodologischen Fragen sowie kulturellen Phänomenen von Code und algorithmischen Infrastrukturen auseinandergesetzt. Es ging vor allem darum, über Praktiken des Creative Codings eine kritisch-kreative Haltung aufzubauen. Dabei haben die Studierenden an eigenen kreativen Projekten gearbeitet.
Laufzeit
01.09.2019 – 30.06.2021
Referenzen
- Brennan, T., Dieterich, W., & Ehret, B. (2009). Evaluating the Predictive Validity of the Compas Risk and Needs Assessment System. Criminal Justice and Behavior, 36(1), 21–40. https://doi.org/10.1177/0093854808326545
- Eubanks, V. (2017). Automating inequality: How high-tech tools profile, police, and punish the poor (First Edition). St. Martin’s Press.
- Marino, M. C. (2020). Critical code studies: Initial methods. The MIT Press.
- O’Neil, C. (2016). Weapons of math destruction: How big data increases inequality and threatens democracy (First edition). Crown.
- Stock, B. (1987). The implications of literacy: Written language and models of interpretation in the eleventh and twelfth centuries (Repr. ed). Princeton Univ. Press.
- Uricchio, W. (2017). 8. Data, Culture and the Ambivalence of Algorithms. In M. T. Schäfer & K. van Es (Eds.), The Datafied Society (pp. 125–138). Amsterdam University Press. https://doi.org/10.1515/9789048531011-011
- Vee, A. (2017). Coding literacy: How computer programming is changing writing. The MIT Press.
- Wachter-Boettcher, S. (2017). Technically wrong: Sexist apps, biased algorithms, and other threats of toxic tech (First edition). W.W. Norton & Company, independent publishers since 1923.
Aktivitäten und Publikationen
- Verständig, D., & Ahlborn, J. (2020). Decoding Subjects? Über Subjektivierung und Kreativität im algorithmischen Zeitalter. In J. Holze, D. Verständig, & R. Biermann (Hrsg.), Medienbildung zwischen Subjektivität und Kollektivität (Bd. 45, S. 77–94). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31248-0_5
- Verständig, D. (2021). Creative Coding zwischen Exploration, Selbstexpression und Kritik. Vortrag auf der Joint Conference Ästhetik – Digitalität – Macht. FAU Erlangen Nürnberg.